Burgholzhausen-info/ März 7, 2023

Ein historischer Schlitten ganz „Made in Holzhausen“

Von der Schweitzer Lina und einem eingesessenen Holzhäuser Handwerkbetrieb

Brrr, habt ihr es gesehen? Der Winter kommt dieser Tage (kurz) zurück! Früher, so habe ich mir sagen lassen, sind die Kinder sofort bei den ersten Schneeflocken zum O-Berg geflitzt, haben vorher ihre Schlitten aus dem Keller geholt, die Kufen mit Speck oder Kerzenwachs eingerieben und los ging‘s dick vermummt den langen Berg runter gerutscht Richtung Bach. Allein auf dem Holzschlitten oder zu zweit, oder gar mehrere Schlitten hintereinander angebunden und als Zug den Berg runtergeschlittert. Ja, damals, als der Winter noch ein Winter war, in den 60er und 70er Jahren und auch davor. Übrigens schon im 16. Jahrhundert wurde der Ausdruck „Rodeln“ für den Schlittensport geprägt. Die ersten lenkbaren Rodelschlitten bauten die Schweizer im 19. Jahrhundert und unterhielten dort die Wintergäste im Berner Oberland. So steht es in einem Bericht des Hessischen Landesarchivs aus dem Januar 2023 zu dem Wintersportgerät.

Der Schlitten war längst nicht immer ein Freizeit-Sportgerät, sondern diente schon mehrere Jahrtausende als Transportgerät für die Beförderung von Heu oder Holz. Auch aus dem Holzhäuser Wald, dessen Gemarkung über den Hügeln von Köppern liegt, musste schließlich das Brennholz irgendwie ins Dorf jenseits des Erlenbachs kommen. Noch in den 1950er Jahren war der Schlitten dafür das Transportmittel der Wahl. Zugpferde hatten längst nicht alle Familien, oftmals wurde mit purer Muskelkraft der beladene Schlitten den langen Weg gezogen. Der Adel hingegen erfreute sich an Pferdeschlittenfahrten, auch im nahen Bad Homburg.

Einen besonderer Schlitten „Made in Holzhausen“ bekam allerdings die Schweitzer Lina von der Wet als Kind von ihrem Vater geschenkt. Der war Schreiner und entwarf das Sitzbrett, wo vorne die kleine Lina und hinten eine Begleitperson mitfahren konnte. Die Älteren unter Euch erinnern sich an den kleinen Kurzwarenladen, den Lina bis in 1960er oder sogar 70er Jahre im letzten Haus am Wetenplatz führte.

Rund 100 Jahre ist dieser solide gearbeitete Schlitten “Made in Holzhausen”, besonders formschön die Kufen.

Zwei Personen können locker mit dem guten Stück befördert werden.

Zurück zum Schlitten. Das stabile Sitzbrett ist aus einem Stück, gut 2 cm dick und mit sauber gehobelten Rundungen gearbeitet. Verletzungsgefahr minimieren nennt man das wohl heute. Ein schön gearbeitetes Brett macht aber noch lange keinen Schlitten, da gehört ein ordentlich gearbeiteter Unterbau dazu. Lange Eisenstücke, quer verbunden, die Kufen formschön abgerundet und mit einem Verbindungsstück stabilisiert. Eine rundlich geformte Rückenlehne gab der kleinen Lina den nötigen Halt bei der Schlittenfahrt den O-Berg hinab. Alle Teile sind fein säuberlich vernietet, keine Schraube ragt raus. Der Schlosser war ein Fachmann, ein Holzhäuser noch dazu. Jetzt ratet mal, welcher Handwerker hier zuständig war. Richtig! Wahrscheinlich war es Georg Ludwig Weinmann, der bei diesem Stück sein handwerkliches Können und Liebe zum Detail unter Beweis stellte und in 5. Generation den Familienbetrieb Metallbau Weinmann nach dem ersten Weltkrieg führte. Ja, der gewichtige Schlitten ist geschätzt rund 100 Jahre alt. Schmiedemeister Dirk Velte aus Oberursel, der als von der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main bestellter und vereidigter Sachverständiger und als Obermeister der Metallinnung Hochtaunus fungiert, ist begeistert und fasst es kurz und prägnant zusammen „Der Schlitten ist toll“, als er ein Foto sieht.

Heute gehört das gute Stück Friedhelm Plock. Er hat ihn als Geschenk von Lina erhalten, als sie im hohen Alter den Schlitten nicht mehr selbst nutzen konnte, ihn aber in guten Händen wissen wollte.

Zum Vergleich: die Schlitten-Variante Modern Art

Das heute noch bekannte und viel gefahrene Schlitten-Model Davos war in den späten 1960er Jahren in Burgholzhausen schon ein Renner, aber längst nicht so eine Augenweide wie Lina’s alter handgefertigte Kinderschlitten “Made in Holzhausen”.

Winter mit “modernem Holzschlitten” Ende der 1960er Jahre am Erlenbach (aus einem Familienarchiv)

Ein Foto vom O-Berg mit Schnee aus alten Zeiten habe ich nicht auftreiben können, aber der Frühling naht ja mit großen Schritten. Drum gibt’s halt zur Einstimmung auf den meterorolischen Frühlingsbeginn am 20. März ein frühsommerliches Foto vom O-Berg von 1960 für Euch mit dazu, mit Blick auf den Taunus. Ohne Schlitten, wahrscheinlich bleibt ohnehin heute nur der Feldberg weiß. (SN)

Blick vom Oberberg in den Taunus in den 1960er Jahren (Foto: M. Peilstöcker, digitalisiert S. Noster)

Habt ihr auch noch ein gutes Stück „Made in Holzhausen“ daheim? Dann meldet Euch gerne (E-Mail info.burgholzhausen@gmail.com oder Telefon 06007/91 73 02).