Burgholzhausen-info/ Januar 16, 2022

Ein Jubiläumsjahr, das keines ist. Im zweifachen Sinne.

1221 oder 1222? Das ist hier die Frage.

Wie diffizil ist es, das Alter eines Ortes zu bestimmen? Wieviel akribische Detailarbeit ist dafür notwendig? Wieviel Geduld muss man aufbringen bei der Detektivarbeit, Kommissar Zufall und das Quäntchen Glück haben einen beträchtlichen Anteil am Erfolg und müssen den Geschichtsforschern zu Hilfe kommen. Waren da zuerst ein oder zwei Bauernhäuser oder vielleicht eine Mühle am Erlenbach oder war da ein Landesherr, der auf der Suche nach einem strategisch günstigen Platz für seine Schutzburg war? Wie findet man das heraus, wie belegt man das? Fundstellen sind alte historische Archive, wie in Marburg, Darmstadt oder Wiesbaden. Doch das Studium der alten Unterlagen ist schwierig, denn unsere Generation beherrscht längst nicht mehr die Lesefähigkeit der alten Schriften. Auch Kirchenbücher sind eine gute Quelle, in Abhängigkeit der Gabe des jeweiligen Chronisten, der mit mehr oder weniger Sorgfalt und Engagement die Ereignisse in der Gemeinde dokumentierte. Nicht vergessen sollte man die unterschiedlichen Schreibweisen, auch der Ortsnamen. Häufig schrieb man wie man sprach und Dialekte gab es wie Sand am Meer. Gutenberg und Luther waren Wegbereiter für die Verbreitung von Schriften und der Prägung einer hochdeutschen Sprache, aber sie lebten erst vor wenigen Jahrhunderten. Was war davor? Im Falle von Holzhausen, das erst seit 1939 Burgholzhausen heißt, kam eine weitere Herausforderung dazu, denn es gab Namenskonkurrenz aus dem nahen Dornholzhausen. Auch nahe Gießen gab es einen weiteren Flecken namens Holzhausen, und bei Aarbergen usw. Wie soll man da das tatsächliche Alter eines Ortes sicher bestimmen? Unzählige Schriften existieren nicht mehr oder schlummern in unbekannten Archiven und warten auf ihre digitale Archivierung und Möglichkeit der Sichtung von Geschichtsforschern. Auch Karten waren nicht nach den heutigen Google-Map-Maßstäben erhältlich und stellten Gegenden durchaus in subjektiven Perspektiven des Zeichners dar.

Auf einer Karte der Geleitstraßen der Wetterau um 1530 ist auch Holzhausen zu finden, das Layout der Karte unterscheidet sich sichtlich den heutigen Karten, half Reisenden aber praktisch ihren Weg zu finden.  Ein kleiner Auszug dieser Karte findet sich als Wandbild im Wehrturm im Heimatmuseum Ober-Rosbach.

Geleitkarte Wetterau um 1530

Geleitstraßen in der Wetterau, Anonym um 1530, Federzeichnung auf Papier, 48 x 65 cm, HStA Wiesbaden Abt. 330 XIV a Nr. 2

Zu Pfingsten war in diesem Jahr in Burgholzhausen ein großes Jubiläumsfest geplant, der Grund: im Jahre 1222 fand sich die erste belegte urkundliche Erwähnung, also vor genau 800 Jahren. Wenn das kein Grund zum Feiern ist! Es handelt sich dabei um einen Schutzbrief, in dem der Mainzer Erzbischof Siegfried II. von Eppstein die Besitzungen des Klosters Retters garantierte, unter denen „Holzhusin“ mit zwei „Hufen“, also zwei Gutshöfen genannt wird, in der Aufzählung zwischen Kirdorf und Erlenbach. Damit war gesichert klar, dass es sich um das heutige Burgholzhausen vor der Höhe handelt. Doch es ist sicher, dass der Ort durchaus älter ist, möglicherweise im 11. Jahrhundert gegründet, aber die Belege fehlen oder warten auf ihre Entdeckung.

Aber halt, so einfach ist es dann doch nicht. Das Offensichtliche ist nicht immer offensichtlich. Hier ist ein Abdruck des Schutzbriefes des Erzbischofs von Mainz für das Kloster Retters vom 3. Januar 1222. Wirklich vom 3. Januar 1222?

Schutzbrief des Mainzer Erzbischof Siegfried II.

Schutzbrief des Mainzer Erzbischof Siegfried II. , das Original befindet sich heute im Staatsarchiv Würzburg

In der Tat schwierig zu entziffern. Der ehrenamtliche Friedrichsdorfer Archivar Dr. Herbert Zimmermann hat sich vor Jahrzehnten die Mühe gemacht, eine Transkription zu erstellen und in der ersten Version das Datum in der letzten Zeile wörtlich übersetzt. „Gegeben zu Mainz im Jahre der Fleischwerdung des Herrn eintausend zweihundert zweiundzwanzig 3. Kal. Januar. Pontifikat unsers Jahr 22.“ Interpretiert man das richtig mit einem Urkundendatum vom 3. Januar 1222?

Erstaunlicherweise fand sich in der Festschrift zur 750-Jahrfeier der 30. Dezember 1222. Mit einem Tippfehler ist das wohl kaum zu erklären. Eine Nachfrage bei der Friedrichsdorfer Stadtarchivarin Dr. Erika Dittrich klärt berechtigte Zweifel an diesem Datum. Sie hatte eine aktuelle Begutachtung vom Landesarchiv Hessen beantragt. Die Antwort zeigt, dass Geschichtsforschung viel Hintergrundwissen erfordert, vor allem über damals genutzte Kalendarien.

„Eine Interpretation der Datierung selbst spricht allerdings eher für den 30. Dezember 1221. Das Datum 30. Dezember ergibt sich dabei daraus, dass mit „den dritten Kalenden des Januars“ der Tag zwei Tage vor dem [heutigen] 1. Januar gemeint ist. Das Jahr wiederum ergibt sich aus der Jahreszählung des Erzbistums Mainz. Mainz war für das gesamte Heilige Römische Reich vorbildgebend bei der Zählung nach dem Weihnachtsstil, der Jahresanfang lag für die Mainzer Kanzlei deshalb stets bereits am 25. Dezember des Vorjahres (…). Somit begann das Jahr 1222 bereits am 25. Dezember 1221, die Tage bis zum 31. Dezember waren die sprichwörtliche „Zeit zwischen den Jahren“. Somit bezieht sich das in der Urkunde genannte Jahr 1222 aber fast sicher auf den Weihnachtsstil und ist nach unserem Verständnis des Jahreswechsels auf das Jahr 1221 zu datieren. (…)

Dazu passt auch die Zählung der Pontifikatsjahre. Siegried II. wurde im November oder Dezember 1200 zum Erzbischof von Mainz gewählt und begann dort mit der Zählung seiner Herrschaftsjahre. Somit begann sein 22. Herrschaftsjahr im November/Dezember 1221 und lief bis zum November/Dezember 1222. Auch diese Angabe spricht also für eine Datierung auf den 30. Dezember 1221, da so das Pontifikatsjahr stimmen würde.“

 

Das Landesarchiv bezieht sich weiter auf einige Regesten, also früheren Zusammenfassungen von Urkunden, die durchaus widersprüchlich oder fehlerhaft sein können. So kommt das Gutachten vom November 2021 zu folgendem Schluss:

„Nach aktuellem Stand gehen wir davon aus, dass die Ersterwähnung Burgholzhausens auf den 30. Dezember 1221 zu datieren ist, eine endgültige Klärung der exakten Datierung ist mit den vorliegenden Informationen allerdings kaum möglich.“

 

So mag es historisch gesehen nicht tragisch sein, dass aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie der Stadtteil das geplante Fest erst einmal verschieben musste, es wäre wahrscheinlich eh nicht im tatsächlichen Jubiläumsjahr erfolgt. Ein neuer Termin im Juni 2023 ist in Planung (wir berichteten). Ob sich bis dahin neue Erkenntnisse und Beweise über das Alter des kleinsten Stadtteils von Friedrichsdorf finden lassen? Vielleicht in den Annalen zum Adelsgeschlecht der Grafen von Nürings, die ab 1064 Güter in der Wetterau hatten? In alten Unterlagen des Kirdorfer Heimatmuseums wird Holzhausen der Hohen Gerichtsbarkeit des Nidderau-Grafen von Nürings, Bertold III, zugeordnet. Das war um das Jahr 1103. Ob dazu belegbare Urkunden zu finden sind? (suno)

 

Bilder und alte Geschichten gesucht

Im Laufe der kommenden Monate wird es immer mal wieder eine kleine Anekdote zur Burgholzhäuser Geschichte auf der Stadtteilseite geben. Wer alte Fotos vom Ort aus den Jahren 1900 bis 1970 hat, die Häuser, Ortsansichten, Straßenzüge, Festivitäten oder familiäre Szenen zeigen, darf sich gerne melden. Oder alte Briefe oder Urkunden auf dem Dachboden oder in der untersten Schublade im Wohnzimmerschrank? Fragt doch Eure Großeltern mal nach alten Erinnerungen und Geschichten aus der Vor- und Nachkriegszeit. Sie haben bestimmt viel zu erzählen, schreibt sie selbst auf oder meldet euch! E-Mail genügt: info.burgholzhausen@gmail.com

Probe-Fahne Burgholzhausen 1222

Eine Fahne der Familie Friedmann von 2020 (Foto: S. Friedmann)